Fragen von Miriam Tepel
Die KiGo-Gipfel der Evangelischen Kirchengemeinde Konstanz ziehen monatlich rund zwanzig Familien raus auf den Raiteberg, mitten in der Stadt. Pfarrer Jan Otte nimmt die Menschen mit auf eine gemeinsame Gipfeltour. Und erzählt von einer Corona- Erfahrung, die nachhaltige Verbindungengeschafft hat…
Was war die Idee für das Projekt, das du in deiner Gemeinde initiiert hast?
Die Idee ist tatsächlich aus der Not entstanden. Mit dem zweiten Corona-Lockdown wurde mir klar, dass wir etwas machen müssen. Ich habe selbst drei kleine Kinder im Kindergarten- und Grundschulalter. Uns ist Zuhause in unserer Stadtwohnung die Decke auf den Kopf gefallen. Da kam mir der Gedanken, mit den Menschen raus in die Schöpfung zu gehen. Gott draußen und unterwegs zu erleben. Und die Familien durch das gemeinsame Erlebnis zu stärken.
Wie läuft so ein Kigo-Gipfel ab?
Wir treffen uns um 10.00 Uhr am Petrus-Gemeindezentrum und laufen dann durch den parkähnlichen Friedhof gemeinsam hoch zum Bismarck-Turm. Dort hat man einen tollen Blick über die ganze Stadt und den See. Aufdem Weg kommen wir miteinander ins Gespräch und tauschen uns aus.
Oben angekommen…
… feiern wir Gottesdienst, gestaltet von Familien für Familien. Mir ist wichtig, unterschiedliche Sinne anzusprechen. Über Kinderyoga oder erlebnispädagiogische Elemente wird das Thema des Vormittags erlebbar, für Kinder und die Eltern ebenso. Der Vormittag endet offiziell mit einer Segensrunde und geht in gemeinsames Picknick über, für alle die wollen. Ganz ungezwungen, Corona-kompatibel, jede/r auf der eigenen Decke.
Was ist aus der Idee im Laufe des Jahres entstanden?
Eine starke Gemeinschaft von Familien, die gemeinsam unterwegs ist. Zusammen loszugehen, draußen zu sein, das hat etwas zugleich Öffnendes aber auch Verbindendes. Familien erzählen mir davon, dass sie durchden Kigo-Gipfel für ihren oft stressigen Alltag gestärkt werden, der frohen Botschaft, dem Evangelium selbser weiter nachspüren. Was will ich mehr?
Du sprichst also Menschen an, die sich ansonsten in der Kirche nicht so wohl fühlen würden?
Genau. Ursprünglich war das Projekt als ergänzendes Programm geplant. Aktuell ist es das bestbesuchte, regelmäßig stattfindende Angebot unserer Kirchengemeinde. Es kommen viele Menschen, sie ansonsten nicht in die Kirche kommen. Und auch die, die schon schlechte Erfahrungen mit Kirche gemacht haben. Wir sind eine bunt gemischte Gruppe aus evangelischen und katholischen Christ*innen, Agnostiker*innen und Menschen anderer Religion.
„Schlüsselmomente und religiöse Erlebnisräume“
Gab es in diesem Jahr Schlüsselmomente für dich?
Zum einen merke ich, wie durch den Kigo-Gipfel Netzwerke entstehen. Das hat auch viel mit Quartiersarbeit zu tun. Mir geht es darum, die Familien in ihrem Lebensalltag abzuholen, sie mitzunehmen und das, was sie bewegt mitzutragen. Klar, wir haben immer noch die Struktur der Kirchen vor Ort. Und gleichzeitig ist es doch toll, dass sich Familien aus anderen Vierteln angesprochen fühlen. Wir eröffnen beim Kigo-Gipfel einenErfahrungsraum. Dort können die Menschen ganz persönliche spirituelle Erfahrungen machen. Zum anderen hat das Projekt auch einen großen Einfluss darauf, wie ich mich als Pfarrer in Konstanz verstehe.
Wie würdest du diese Rolle beschreiben?
Als „Community-Manager“. Also jemand, der die Menschen einlädt, da ist und ansprechbar bleibt. Und ich stehe natürlich für ein bestimmtes Thema. Ich versuche, den Erfahrungsraum der Menschen immer an die biblische Botschaft zu binden.
Was würde ohne das Projekt fehlen?
Wenn wir draußen unterwegs sind, dann sind wir in einem „unbesetzten“ Raum. Draußen sind wir frei von den Kirchenmauern, die natürlich auch etwas Bestärkendes haben. Viele Menschen die kommen, fühlen sich in der Kirche nicht wohl. Draußen sind wir mitten im Leben. Die Menschen wandern gemeinsam auf den Berg, schauen auf ihre Häuser und die Dächer dieser Stadt. Dort wird Gott unmittelbar und greifbarer für die Menschen. Als Kirche unterwegs zu sein, das ist für mich eine Bewegung, wo ich gerne mitgehe und auch ein Stückchen voran.
Gibt es eine Vision, wohin es mit dem Kigo-Gipfel gehen soll?
Als nächsten Schritt möchte ich noch mehr Verbindungen in die Stadt hinein aufbauen. Die Netzwerke in Kindergärten und Grundschulen stärken. Es gibt bereits viele Ehrenamtliche, die sich im Projekt engagieren.Gerne möchte ich es auf noch breitere Füße stellen, um neue Projekte anzubauen, zusagen als „AddOn“. Und logische Folge für ältere Kinder, z.B. Jungschar neu denken.
Artikelbild: Jan Otte