Bin ich dieser oder jener. Wir haben recht genaue Vorstellungen von dem, wie andere Menschen auf uns wirken. Und sind gut darin zu vergleichen. Und manchmal erzählen wir Geschichten völlig neu, projizieren (Un)Mögliches in die Menschen unserer näheren Umgebung. Manches davon ist wahr, anderes erfunden, mehr oder weniger bewusst konstruiert…
Ich erlebe das als Pfarrer immer wieder, der öfters auf dem Friedhof steht. Menschen berichten mir, mehr oder weniger gefiltert, aus dem Leben ihrer Verstorbenen.
Was ist Wahrheit, wirklich, echt und ungeschönt. Was ist konstruiert, einfach nur angedichtet? Dieses Spannungsfeld hat Miguel de Cervantes schon vor 400 Jahren beschrieben. Die Erfindung des Buchdrucks befeuerte „Don Quijote“ in die unterschiedlichsten Sprachen. Das Buch wurde ein Bestseller, eines der besten Bücher der Welt. Weil die Hauptfigur ein Thema umreißt, ein Gefühl, was uns alle betrifft. Und jede und jeder hat etwas anderem in ihm gesehen. Politische Ideologien wurden mit den dichtbedruckten 1103 Roman-Seiten aufgeladen.
Eines der besten Bücher der Welt
Das ist doch … ist das nicht … den kennen wir doch irgendwoher. Quijote, oder? So ging`s mir jetzt bei einer der letzten Vorstellungen hier im Stadttheater, in Konstanz. Meine Vorstellung von Ritterlichkeit in einer Welt, wo nur noch wenige als solche zum Ritter geschlagen werden. Quijote sucht keine Orden, Urkunden oder Medaillen – das ist seine Mission nicht. Er will Herzen erobern, gegen Windmühlen kämpfen – und manche Hirngespinste.
Bin ich bereit für mehr Realität, etwas mehr Wirklichkeit?
Hin und wieder ertappe ich mich selbst und andere dabei, von Märchen und Mythen zu schwärmen. So wie die sechs Schauspielende auf der Bühne rundum einen überdimensionierten Tonkopf. Die fragen: „Sagt mal, sind wir jetzt schon drin, oder…?“ „Drin? Was meinst du denn mit drin?“ „Na drin. Im Stoff drin.“ „Ja, natürlich sind wir im Stoff drin, wo denn auch sonst, wenn nicht im Stoff.“
„Jesus, Konjunktiv meiner Sehnsüchte“
So ist es auch mit dem Stoff rundum Weihnachten. Sind Sie schon drin? Im Markt, der gerade am Stadtgarten aufgebaut wird. Was haben wir dort doch alles in diese Geschichte hineinprojiziert. Die biblische Vorlage für das Weihnachtsmärchen, was wir 2000 Jahre nach Christi Geburt daraus gemacht haben, bleibt mit zwei Kapiteln im Lukas-Evangelium, verglichen mit Quijote, recht dünn.
Dass es Jesus gegeben hat, das ist historisch bewiesen. Doch wer ist dieser Jesus für Sie? Stellen Sie sich mal vor, er würden uns Donnerstagabend bei der Eröffnung zwischen den 150 aufgebauten Hütten irgendwo zwischen Tannenzweigen und Christbaumkugeln begegnen. Was würden sie ihn fragen, ihm noch sagen?
Ich würde ihn umarmen wollen, diesen Konjunktiv meiner Sehnsüchte der endlich zum Indikativ geworden ist: Jesus Christus. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine zuversichtliche Adventszeit!
Geistlicher Impuls, veröffentlicht im SÜDKURIER, Regionalausgabe für Konstanz (19.11.2022)
Artikelbilder: Ilja Mess/ Theater Konstanz