Montagmorgen, 6:04 Uhr auf Gleis 3a wird es am Konstanzer Hauptbahnhof so sein wie fast jede Woche. Warten auf den Zug. Bis aus dem Lautsprecher tönt: „Es fährt ein der Intercity zur Fahrt nach Stuttgart“. Das ist für Klara und Alex das Signal zum Abschied. Keiner von ihnen mag das, aber sie haben sich daran gewöhnt…
Die beiden führen eine Wochenendbeziehung. Damit geht es den beiden wie jedem dritten Menschen einmal im Leben hier in Deutschland, egal welchen Alters, gemäß Statista. Bereits in der Bibel war das so, in der Zeit der Nomaden – umziehen, warten, erwarten. Den Partner, die Partnerin. Endlich Wochenende! Und wie wird das sein. Liebe kennt keine Grenzen, in unserer Fantasie sowieso nicht.
Wir machen Selfies unter Mistelzweigen, jetzt in der Adventszeit. Wir schreiben Liebesbriefe mehr als sonst zu Weihnachten – und lesen sie. Vielleicht sogar in der Bibel. Im „Hohelied der Liebe“, ganz weltliche Dichtung, Poesie für kalte Wintertage. Dort lese ich im zweiten Kapitel über Turteltäubchen: „Steh auf, meine Freundin, meine Schöne, und komm her! Denn siehe, der Winter ist vergangen…“. Nun, bis der Frühling kommt und es draußen wieder heller und wärmer wird, dauert es noch. Bis dahin werden Alex und Klara, eingepackt mit Schal und Mütze, Arm in Arm, hier am Rhein oder dort am Neckar spazieren. Und doch ist da diese Freude auf das, was noch kommt, eine fröhliche Erwartung. Dass es eine gemeinsame Zukunft gibt!
„Arm in Arm“
Unser persönlicher Lebensstil hat das romantische Ideal, von dem das Hohelied der Liebe da schwärmt, irgendwie entzaubert. Die eigene Unabhängigkeit, sie spielt heute eine große Rolle. Und es gibt weniger Streit darüber, wer die Küche putzt und warum der Kühlschrank schon wieder so leer ist. Eine Sache findet Alex dann doch blöd: „Auf Partys am Samstagabend treffen wir meinen Freundeskreis, der eben doch nicht uns gemeinsam gehört“. Auch mal unter der Woche was unternehmen, gemeinsamer Alltag, das wäre was.
Hohe Erwartungen, hohes Frustlevel
Häufig überfrachten wir unser Wiedersehen mit großen Erwartungen, die eigentlich so gar nicht erfüllbar sind. Die Enttäuschung, sie ist vielleicht schon Freitagabend am Bahnsteig vorprogrammiert, wenn der Partner nicht mit strahlendem Sonntagslächeln empfangen wird. Gleiches gilt für den Abschied, wenn es am Wochenende gekracht hat. Ob Jobwechsel oder ein Zurückziehen in digitale Erlebniswelten, Apps und Plattformen, mit denen wir viel Zeit verbringen, um neue Leute kennenzulernen, in Kontakt zu bleiben.
„Kein Patentrezept“
Ein Patenrezept für Partnerschaft gibt es auch in der Bibel nicht. Wir müssen es einfach ausprobieren. Was haben Sie sich dieses dritte Advent-Wochenende vorgenommen? Auf was freuen Sie sich am Allermeisten, zu zweit oder zu dritt? Ob frisch verliebt oder schon länger in Beziehung wünsche ich Ihnen dafür Gottes Segen! Bei all dem, was Sie tun – und lassen.
Geistlicher Impuls, veröffentlicht im SÜDKURIER, Regionalausgabe für Konstanz (10.12.2022)