Jetzt haben wir gerade erst Pfingsten gefeiert, das Fest des Friedens, der Freude, ja, es ist sogar eine Geburtstagsfeier der Kirche. Und Zack, nach den Pfingstferien geht der Alltag weiter. Wie sieht er aus, ihr Alltag? Ich erlebe gerade viele Menschen, die sich irgendwie nicht verstehen, obwohl sie sich verstehen sollten – zuhause, im Büro, im Verein…
Und damit meine ich nicht unsere gesprochenen Sprachen. Ob Russisch oder Ukrainisch, Badisch oder Schweizerdeutsch. Dialekte gibt es viele und, noch viel wichtiger, unsere Mimik und Gestik ist noch unterschiedlicher. Gott sei Dank! Ich suche etwas anderes.
Ich suche nach dem Geist der Wahrheit, der uns als Menschen verbindet, nach dem Heiligen im Alltag. Der Heilige Geist, der uns in der Bibel als Tröster beschrieben wird, als Hoffnungsgeber, etwas, was über unser in Beton gegossenes Weltbild und manchmal aus dem Kontext herausgerissenes Bibel-Zitat hinausgeht. Ich suche Vielfalt, aber auch Verbindung und Erdung davon. So schön das ist, die Vielfalt, die ich liebe und schätze und mir in Regenbogenfarben auf mein Lastenrad pinseln möchte oder als Flagge zur nächsten Friedensdemo oder Pride-Day mitnehmen will.
Die Geschichte vom Turmbau zu Babel
Kennen Sie noch diese uralte Geschichte aus der Bibel, sie steht direkt ganz am Anfang, im elften Kapitel, erstes Buch Mose. Die Geschichte vom Turmbau zu Babel. Ich kann die Geschichte verstehen als Kapitalismus-Kritik par excellence. Und da fällt mir an Tagen wie diesen jede Menge zu ein. Was brauche ich, um ein glückliches und zufriedenes Leben zu führen?
Angeheizt durch die so genannten sozialen Netzwerke, ständiges Vergleichen im Netz mit scheinbar unendlichen Möglichkeiten. Einhergehend mit Leistungsdruck und Versagensängsten und der Angst, zu kurz zu kommen.
Der höchste Turm steht gerade in Dubai, international betrachtet und kratzt an der 1.000-Meter-Marke. Und bei uns im Ländle neben der A81 bei Rottweil, mit 232 Metern Deutschlands höchste Besucherplattform. Ich liebe Technik, wie Menschen es schaffen, etwas Neues zu kreieren.
Und natürlich finde ich die Geschichte auch von der Motivation her spannend, wenn wir uns als Menschen verstehen lernen, dass wir gemeinsam an einem großen Ganzen bauen. Das kann eine Kathedrale sein wie das Konstanzer Münster, statt einzeln Steine zu behauen. Lass es uns wagen, gemeinsam an eine andere Art von Turm zu bauen! Es geht ja auch ganz bescheiden.
Genau das habe ich heute Mittag vor, in der Praxis umzusetzen, oben am Bismarckturm mit Kindern aus unseren Kindergärten, umliegenden Grundschulen und der Kirchengemeinde. Wir tun das im Sandkasten, aus dem Zement hergestellt werden kann. Und mit Bauklötzen und Gaffa-Tape statt Beton, der schon da ist. Wir sind bis 12 Uhr oben. Kommen Sie doch vorbei, am neuen Turm zu Babel!
Geistlicher Impuls, veröffentlicht im SÜDKURIER, Regionalausgabe für Konstanz (26.6.2022)
Artikelbild: onur kurt/ Unsplash