Loben, aber richtig! (Foto: Baranq/ Shutterstock)

Applaus: Loben, aber richtig!

in Predigten von

Immer schön loben. „Richtig“ loben will gelernt sein. Und ich finde, wir können das gar nicht oft genug tun. Lieber ein Lob zu viel als zu wenig! Probieren Sie’s doch gleich mal aus…

Einfach Loben, der guten Stimmung wegen, ein bisschen Smalltalk. Das ist schön und gut, in unserem Kulturkreis wird das aber schnell inflationär, es nutzt sich ab. Loben ja, aber richtig! Weder andere über den grünen Klee hinweg loben, noch andere einfach verurteilen. Die „Mitte“ macht’s – zwischen Lob und Urteil.

Um diese „Mitte“ geht es auch in unserem heutigen Predigttext. Er steht im Brief des Apostels Paulus an die Korinther, im 4. Kapitel. Der Apostel Paulus ist sich seiner Sache sicher, Gott wird ihn schon loben. Mir ist es völlig gleichgültig, ob ich von euch beurteilt werde, sagt er – nicht ganz ohne Stolz. Oder sollte ich besser sagen, mit einer Arroganz die ihres gleichen sucht! Was bildet der sich eigentlich ein, dieser Paulus? Meint wohl, er sei etwas besseres. Der spinnt doch, dieser eitle Fatzke…

Selbstbewusstsein

An Selbstbewusstsein scheint’s ihm nicht zu mangeln, dem Paulus. Fragen wie »Was sollen die Leute bloß denken?« bewegen Paulus offensichtlich nicht – zumindest nicht so sehr wie mich selbst. Ich will geliebt sein und anerkannt, von möglichst allen Menschen. Klar, ich weiß dass das in dieser Welt nicht so ohne Weiteres möglich ist. Ich will’s aber trotzdem gerne!

Und Paulus sagt: Mir ist’s ein Geringes, dass ich von euch gerichtet werde. Das Urteil über ihn selbst, die Meinung die er von sich hat, fällt offensichtlich besser aus als das Urteil der anderen Leute über ihn. Vielleicht denkt der Apostel i Richtung seiner Kritiker in Korinth: »Lasst mich in Ruhe! Ich weiß schon, was ich wert bin.«

Nein, so arrogant und eitel ist Paulus nicht – im Gegenteil. Er schreibt: Auch richte ich mich selbst nicht. Paulus ist sich wohl keiner eigenen Schuld bewusst, doch Unwissenheit schützt bekanntlich vor Strafe nicht. Der Apostel schreibt weiter: Ich bin mir zwar nichts bewusst. Aber darin bin ich nicht gerechtfertigt. Der Herr ist’s aber, der mich richtet.

Wer bin ich?

Meine Taten kenne ich, jedenfalls die meisten. Aber wer bin ich? Gott sieht mich an, meinen Lebenslauf – und auch das, was mich ausmacht. Also, wer bin ich wirklich? Mit dieser Frage hat der Theologe (und spätere Märtyrer/ „Heilige“) Dietrich Bonhoeffer gerungen. Im Gefängnis hatte er viel Zeit zum Nachdenken und Zeit, ein Gedicht zu schreiben. Es heißt: „Wer bin ich“. Und das Gedicht zeigt zweierlei:

Einerseits einen zutiefst glaubenden Menschen, der viel Ausstrahlung hat – eine Ausstrahlung die von Gott kommt. Andererseits all seine Fragen und so manchen betrübten Gedanken. Das macht diesen Menschen,  Dietrich Bonhoeffer authentisch. Und was lernen wir von ihm, nehmen wir mit nach Hause?

Bonhoeffer schließt seinen Gedankenaustausch mit dieser Kernaussage: „Wer ich auch bin, dein bin ich, o Gott.“ Bonhoeffer hat in Gott etwas „gefunden“, das auch Paulus gefunden hat. Die Freiheit – sich weder in das eine noch in das andere zu verkrampfen, sondern sich los- und fallen zu lassen. Sie haben diesen Weg zu Gott gefunden, dem Gott der in Christus ganz Mensch wurde. Wahrer Mensch und wahrer Gott. Dieses Geheimnis werde ich in meinem Leben nie ganz verstehen, aber ich kann ihm nachspüren, hier und jetzt – innerlich!

Innerlichkeit

Nutzen wir dazu die Adventszeit, die Zeit vor Weihnachten. Denn wäre Christus tausendmal in Bethlehem geboren, aber nicht in dir: Du bliebest doch in alle Ewigkeit verloren“, so eindringlich schrieb es  Johannes Scheffler, ein Arzt, Priester und Dichter im 17. Jahrhundert. Und wenn wir noch ein paar Jahrhunderte zurückgehen, in der Geschichte wo Menschen Erfahrungen mit Gott sammeln, kommen wir ins 14. Jahrhundert zu einem Mystiker namens Meister Eckhart. Sein Herzensthema war „die Gottesgeburt in der Seele“. Ich lese uns ein kurzes Gedicht von ihm vor – es ist auf der Rückseite vom aktuellen Gemeindebrief abgedruckt:

 Gott wird dann in uns geboren, wenn alle Kräfte unserer Seele, die vorher durch Gedanken, Bilder und was es auch sei, gebunden und gefangen waren, ledig und frei werden und in uns alle Absicht  zum Schweigen kommt.

Schweigen, Gott reden lassen. Ganz schön schwierig! Denn oft genug verstehe ich die Welt nicht. Allem voran ich mich selbst. Das Gott sieht was mich im innersten Kern ausmacht, dass wirkt auf mich befreiend! Denn weder die Vorurteile anderer Menschen geben das wieder was ich bin noch mein eigenes Urteil – über mich selbst. Oftmals sind wir selbst ja unsere strengsten Richter.

Alltagssorgen

Das geht bereits bei Kleinigkeiten los, wenn mein Auto schon wieder nicht anspringt. Wie konnte ich nur so dämlich sein und ausgerechnet dieses Auto kaufen? Oder beim Einkaufen fürs Geburtstagsessen – warum, ich Esel, habe ich mich nur in dieser Schlange angestellt? Es dauert ewig. Und die Abwärtsspirale negativer Gedanken kennt kein Ende, die Dame an der Kasse wird meine schlechte Laune abbekommen und sie wird ihren Frust auf ihre Art wiederum an andere weitergeben. Das, liebe Gemeinde, ist… nicht gut!

Ich brauche jemanden, der mich hier rausholt. Und zwar schnell. Ich selbst schaffe es nicht. Manchmal himmelhochjauchzend, wenn’s gut lief – oder auch zu Tode betrübt. Schluss mit diesen Selbsturteilen! Paulus ruft dazwischen: Lass gut sein! Hör’ auf mit deiner ewigen Selbstanklage, hör’ auf mit deinem Eigenlob. Urteilt nicht vorschnell. Wartet, bis der Herr kommt! Er wird alles ans Licht bringen, was im Dunkeln verborgen liegt, und die geheimsten Absichten enthüllen. Dann wird jeder von Gott gelobt werden, wie er es verdient.

Lob und Tadel

Radikaler, liebe Gemeinde, geht’s wohl kaum. Unsere Beziehungen leben von beidem: Lob und Tadel. Und angenommen, ich schaffe es tatsächlich mal die Klappe zu halten – dann ist da immer noch meine innere Stimme. Was wäre wenn ich es schaffe, wenn ich ab jetzt nicht mehr urteilen würde? Mein Gewissen wäre arbeitslos und das wäre auch nicht gut. Denn ich muss ständig Urteile fällen, sonst könnte ich mich nicht in diesem Leben zurechtfinden.

Mit Paulus als Vorbild könnte mein Glauben etwa so aussehen: Unergründlich ist mein eigenes Ich. Meine Spuren verlieren sich. Ich komme nicht durch zum Kern. Mein Herr und Gott, hilf mir!

Diese Selbsterkenntnis, dass ich ohne Gott nicht „durchkomme“ ist mein größtes Glück! Ich wünsche mir von Gott, dass er alle Geheimnisse lüftet. Ich selbst kann das nicht. Aber wir, Gott und ich, gemeinsam. Wir schaffen das! In dieser freudigen Erwartungshaltung liegt ein Zauber. Mein Glauben an die Auferstehung in Jesus Christus verändert mein Selbstbild. Ich muss dann nicht mehr kleben am Lob der anderen, oder am Eigenlob – heute so und morgen schon wieder anders. Nein, ich kann mich auf Gottes Zusage verlassen, halte mich daran fest dass ich zu ihm gehöre – im Leben wie im Sterben.

Finale

Gott hat in meinem Leben das erste Wort bereits gehabt, noch ehe ich auf die Welt kam. Er sprach mir in der Schöpfung zu, dass ich gut bin: „Und siehe, es war sehr gut“. Sehen Sie! Ich bin gut, sogar sehr gut. Und Gott wird auch das letzte Wort über mich sprechen. Ich bin mir sicher, es wird „gut“ sein! Darum richtet nicht vor der Zeit! Ihr seid ein Geheimnis Gottes! Freut euch darüber, freue dich, oh Christenheit.

Wir müssen nicht heute schon alles Mögliche verstehen. Ein altes Sprichwort sagt: „Tu‘ das Deine – Gott tut das Seine.“ Dafür halte uns jedermann, schreibt Paulus: für Diener Christi und Haushalter über Gottes Geheimnisse. Wenn wir das spüren, ein Geheimnis Gottes zu sein, wunderbar und gleichzeitig unergründlich – wenn uns das gelingt, auch noch andere Menschen spüren zu lassen, dann, liebe Gemeinde, dann ist das wie Weihnachten und Ostern an einem Tag!

Amen.

Predigt gehalten am 13.12.2015 in der Ev. Auferstehungskirche in KN-Litzelstetten

Artikelbild: Baranq/ Shutterstock

Ich bin Jan Otte. Und möchte Menschen Mut machen. Das versuche ich mit Worten und Taten, mit meiner Schreibmaschine und dem Mikrofon, mit diesem Blog und Podcast. Und auf anderen Bühnen des Glaubens...

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