"... das habt ihr mir getan" - Predigt zu Matthäus 25 (Foto: SpeedKingz/ Shutterstock)

Weltgericht: Himmel oder Hölle?

in Predigten von

Jesus redet über die letzten Tage, das jüngste Gericht und darüber, wie er die Menschen ihrem Verhalten nach beurteilt…

Hören wir die Worte des Evangelisten Matthäus, im 25. Kapitel – hier zum Nachlesen auf dem Bibelserver.

Liebe Gemeinde,

Hungrig, durstig, fremd, nackt, krank, gefangen. Wem es so geht, der ist in unserer Gesellschaft ganz unten angekommen. Geht es hier doch um ganz elementare Bedürfnisse des täglichen Lebens: Gesundheit, Ernährung und Bewegung. Aber es geht um noch viel mehr, unsere sozialen Bedürfnisse. Wie oft habe ich mich schon danach gesehnt: nach mehr Anerkennung, Lob, Wertschätzung, einer positiven Resonanz. In meinen Beziehungen, im Beruf, in der Familie.

Von Bedürfnissen zum Traum…

Ich träume von einer Gesellschaft voller Inklusion statt Exklusivität, Menschen die andere einladen statt aus ihren Clickquen auszuschließen. Menschen, die andere nicht bloß stellen sondern ihnen ihre Würde lassen, ihr Recht auf Individualität.

Ich träume von Communities, die sich vor allem durch ihre Vielfalt auszeichnen, statt sich auf Kosten anderer zu profilieren. Mobbing hat in Gottes Reich keinen Platz, keine Hasskommentare in sozialen Netzwerken, keine Reden hinter vorgehaltener Hand über Außenseiter, keine Gerüchte über Bedrohung die angeblich von Randgruppen ausgeht. Soweit mein Traum. Und die Wirklichkeit, die Realität?

… vom Traum (zurück) zur Realität

Niemand von uns will „gering“ sein, klein und unbedeutend – so wie sie im Text stehen, die geringsten Schwestern und Brüder. Wir wollen größer sein, geachtet und wichtig. Frei und finanziell möglichst unabhängig. Und um das zu erreichen, müssen wir in dieser Welt offenbar etwas haben, in der Hand haben, besitzen – materielle Güter wie ein Dach über dem Kopf, ja.

Aber viel mehr noch das Immaterielle. Den je mehr ich in unserer Gesellschaft habe, desto mehr Macht und Geltung bekomme ich. Wie ungerecht ist das denn! Dieser »Daseinskampf« um materielle wie immaterielle Güter. Manche beschreiben diese Art von „Verteilungsgerechtigkeit“ als Sozialdarwinismus. Wo wenige viel haben und viele wenig.

Von der Hölle auf Erden…

Die fittesten in diesem System überleben – survival of the fittest. Und sie haben nicht immer das Beste im Sinn für die Gesellschaft in der sie leben. Soziale Kämpfe einzelner Eliten um ihren Statuserhalt, sie belasten ganze Völker – führen sprichwörtlich in die Hölle. Kriege sind die Hölle, in Syrien, im Irak, Afghanistan, der Ukraine und anderswo. Kriege werden wegen Macht- und Besitzinteressen begonnen. Und es ist leicht, diejenigen an den Pranger zu stellen die im Krieg andere töten.

Aber wer profitiert noch vom Krieg? Nicht auch diejenigen, die die Waffen liefern? Es bleibt schwierig, so glasklar zwischen Tätern und Opfern zu unterschieden. So wie es im Predigttext steht, schwarz-weiß. Wer trägt die Verantwortung, ist verantwortlich?

Wer macht sich letzten Endes die Hände schmutzig, wer ist wirklich schuld? So drängend diese Schuldfrage auch ist, ihre Antwort wird vor Gericht niemals eindeutig sein – nicht in dieser Welt. Vor Gott und dem Gesetz sind alle gleich, heißt es. Anwälte, Kläger und Begklagte – sie sammeln Indizien. Und sie würdigen diese Tatsachenbeweise vor dem Richter.

Zum Schluss muss er ein abschließendes Urteil sprechen, sozusagen die „Wahrheit“ ans Licht bringen – zumindest formell gesehen.

Im Text ist das einzig entscheidende Kritierium für den Richter die Tat. Was habe ich gemacht, was habe ich nicht gemacht? Wo habe ich anderen geholfen, wo Hilfe unterlassen und weggeschaut? Wer gehört zu den Unschuldslämmern, wer zu den Sündenböcken? Und wo gehöre ich eigentlich hin? Zu den Schafen, den Guten? Oder sind es nicht doch die Ziegen, die Böse? Rechts oder links, Gott allein weiß es auf welche Seite er mich zählt.

… zum Himmel auf Erden

Gottes Gericht scheint kein Mittelmaß zu kennen. Kompromisslos und rigoros  kommt die Gerichtsrede Jesu daher. Es gilt das Entweder-Oder. Fluch oder Segen, Hölle oder Himmel. Doch Gott verspricht uns mehr als diese Schwarzweiß-Malerei. Er prophezeit uns vollkommenen Frieden, Gerechtigkeit.

Im Text wird Gott als König beschrieben – ein König der richtet aber auch rettet. Dieser König urteilt nicht nur über das was wir getan und das was wir nicht getan haben. Er schaut sich auch an, wie wir es machen. Damit verschärft er seine Art der Rechtsauslegung.

Gott kennt unsere Haltung, unsere innersten Motive. Klingt das befreiend oder eher belastend? Als Menschen sehen wir meist nur das, was vor Augen ist. „Gott aber sieht unser Herz an“ (1.Sam 16,7). Auch all das, was kein Mensch wirklich überblicken kann, viele von uns aber gerne wüssten – nichts geringeres als die Wahrheit. Gott sorgt in seinem Reich für Gerechtigkeit, er richtet diejenigen auf, die verfolgt werden und richtet solche, die dafür verantwortlich sind und zieht diese für ihre (Un)taten zur Rechenschaft.

Jesu Rede vom Weltgericht. Für mich wirkt sie wie die Hoffnung auf eine Welt, die noch kommt. Eine jensseitige Hoffnung, die mit diesseitigem Gerechtigkeitsempfinden kollidiert. Der Evangelist Matthäus berichtet uns nämlich von einer anderen Welt, die uns verheißen ist:

Dem Himmel auf Erden. Einem Ort wo jeder genug zum Leben hat, es endlich gerecht zugeht und der Traum von dem ich anfangs sprach Wirklichkeit wird. Ich sehne mich danach. Und gleichzeitig merke ich, dass ich es nicht aus eigener Kraft schaffe, mich in dieser Welt für eine gerechtere Weltordnung einzusetzen.

Liebe vs. Nützlichkeitsdenken

Selbst wenn ich alles was ich habe verschenke, für meinen Glauben sogar das Leben opfere, aber keine Liebe habe, dann nützt mir das gar nichts (1. Kor 13,3).

Diese Schriftworte erkante Luther auf seiner Suche nach einem gnädigen Gott. Im Studium der Heiligen Schrift erkannte er, dass Gottes Gericht nicht an unseren Taten festzumachen ist sondern am Doppelgebot der Liebe, dem höchsten und größten Gebot (Mt 22,37-39): „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt.“ Und: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“

Dazu einige Gedanken, die ich aus diesem Text für mein eigenes Leben mitnehme:  Ich will davon wegkommen, Menschen danach zu beurteilen ob sie mir „nützlich“ sind oder nicht, ob sie mir gefallen oder fremd erscheinen. Und ich will dahinkommen, anderen Menschen zu helfen. Helfen! Und das einfach so, ohne dafür ein ewiges Dankeschön zu erwarten. Ich wünsche ich mir, dass Gottes Liebe fließt, wieder liquide wird – in uns, mitten unter uns, in mir.

Dass ich meinen Stolz überwinde und mir auch mal selbst helfen lasse. Weil ich darauf vertraue, dass ich am Ende aller Tage gehalten werde. Nicht wegen meiner vermeintlich guten Taten werde ich von meiner Schuld freigesprochen. Sondern erst dann, wenn ich mein Vertrauen allein auf Jesus Christus setze (Röm 3,28).

Beispiel Mutter Therea – und ich?

Und dieses Vetrauen geht in Verantwortung über, praktisch sichtbar. Bei Menschen die sich für andere einsetzen, einfach so und aus tiefster Überzeugung. Sie nehmen Notleidende nicht als »Geringe« wahr sondern als Menschen. Wie Mutter Theresa es vorgelebt hat. Das Nicht-Haben des anderen bedeutete für die Ordensschwester kein eigenes Höherstehen. Als Heilige wurde sie erst im Nachhinein verklärt, von anderen. Und wir können von Mutter Theresa vieles mehr lernen: die Orientierung „von unten“ ebenso wie das Schauen nach oben, Gottes Barmherzigkeit. Im Predigttext geht es nicht darum, möglichst viele guten Taten zu zun um sich einen besseren Platz im Himmel zu sichern, sozusagen das eigene Konto aufzufüllen. Gute Werke sind dann gut, wenn sie stets das Wohl des anderen im Blick haben.

Weil Gott selbst sich auf die Seite der Bedürftigen, Geringen und Unbedeutenden stellt, genießen sie in seinen Augen höchstes Ansehen – ungeachtet von Hautfarbe und Herkunft, sogar Religion! Gott denkt über menschengemachte Ländergrenzen, Zäune und Klischees hinweg. So denken wir am Volkstrauertag auch an all diejenigen, denen nicht geholfen wurde. Möglicherweise haben wir sie vergessen. Alleine schaffen wir es nicht. Wir brauchen Hilfe, ob wir uns im Moment als gering erachten oder nicht. „Liebe deinen Nächsten“, dass weiß ich, das ich das tun soll.

Und wie steht es um den Zusatz „…wie dich selbst“ (Mt. 22,39)? Ich kann anderen nur helfen, wenn ich mir selbst helfen lasse, nicht ausbrenne – mit mir äußerlich wie innerlich im Reinen bin.

In der Welt habt ihr Angst, sagte Jesus seinen Jüngern, aber seid getrost: Ich habe die Welt überwunden (Joh 16,33).

Gottes bedürfen, ist des Menschen größte Vollkommenheit; das ist ein klassischer theologischer Satz (Sören Kierkegaard, Der Begriff Angst). Gott weiß was wir am meisten brauchen, jetzt im Moment, da wo wir gerade stehen.

Gott hat Erbarmen mit mir, er kennt mich und nimmt mich auf in sein Reich, seine Wirklichkeit. Ihm brauche ich nichts vorzumachen, er hält mich fest. Ich vetraue darauf, dass er alles und alle Menschen zum Guten führen wird, auch mich. In Christus liegen verborgen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis (Kol 2,3). Und in ihm finde ich Halt und Orientierung. Und will mir sagen lassen: „Lass dir an meiner Gnade genügen, denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig“ (2. Kor. 12,9). Amen.

Gehalten am Volkstrauertag, den 15.11.2015 in der Evangelischen Auferstehungskirche in Konstanz-Litzelstetten.

Artikelbild: SpeedKingz/ Shutterstock

Ich bin Jan Otte. Und möchte Menschen Mut machen. Das versuche ich mit Worten und Taten, mit meiner Schreibmaschine und dem Mikrofon, mit diesem Blog und Podcast. Und auf anderen Bühnen des Glaubens...

Schreibe einen Kommentar

Your email address will not be published.